Preisspirale an den Ölmärkten dreht sich weiter
Die Ölpreise steigen seit Wochen stetig an. Und wenn man den Meinungen der Analystengilde Glauben schenken will, dann könnte sich diese Preisspirale noch eine Weile länger nach oben drehen. Zu den Fakten: Sowohl die beiden wichtigsten Ölsorten Brent als auch West Texas Intermediate (WTI) beendeten die letzte Woche einmal mehr – und zwar die siebte Woche in Folge – mit Zugewinnen. Seit Beginn der Rallye steht ein Plus von rund 20 Prozent bei den beiden Ölsorten zu Buche.

Das letzte Mal, als Brent-Öl über einen solch langen Zeitraum Gewinne verbuchen konnte, war kurz vor Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine, zu Beginn des vergangenen Jahres. Bei WTI wurden zuletzt Mitte letzten Jahres Kurssteigerungen über eine Dauer von sieben Wochen registriert.  Noch wesentlich stärker als die Rohölpreise steigen seit Wochen die Notierungen für Gasoil, das als wichtigster Indikator für die Diesel- und Heizölpreise gilt. Seit Anfang Juni gingen die Kurse um über 36 Prozent nach oben. Es ist das höchste Preisniveau seit diesem Januar.

IEA sieht Licht am Ende des Tunnels
Die Gretchenfrage, die sich momentan Rohstoffanalysten, Ölhändler und Verbraucher stellen, lautet: Wie lange werden die Preise wie weit steigen?  Eine weithin beachtete Einschätzung für den Energiesektor liefert einmal im Monat die Internationale Energieagentur (IEA). Diese sieht in ihrem am Freitag veröffentlichten Bericht ein Licht am Ende des Horizonts. So hoben die Analysten ihre Prognose für die weltweite Ölversorgung im nächsten Jahr an, schwächten gleichzeitig ihre Nachfrageerwartungen ab. Diese deutet auf einen ausgeglicheneren Ölmarkt hin, der die zuletzt rasante Entwicklung bei den Ölpreisen bremsen könnte.

Ölangebot soll 2024 kräftig steigen
In ihrem Bericht prognostizierte die IEA, sie erwarte, dass die Ölförderung im nächsten Jahr um 1,5 Millionen Barrel pro Tag steigen würde. Das sind immerhin 300.000 Barrel pro Tag mehr, als die Experten noch im letzten Monat erwartet hatten. Als Begründung für die positivere Einschätzung nannte die IEA Produktionssteigerungen in den USA, Brasilien und Guyana. Diese würden den Produktionskürzungen durch Russland und Saudi-Arabien entgegenzuwirken und deren Bemühungen einschränken, das Ölangebot weiter einzuengen.

Ölnachfrage fällt niedriger als erwartet aus
Gleichzeitig erwartet die IEA im nächsten Jahr einen Anstieg der Ölnachfrage um 1 Million Barrel pro Tag.  Das sind 100.000 Barrel pro Tag weniger als in der Prognose des letzten Monats errechnet. Die Änderungen bedeuten, dass die IEA damit rechnet, dass die Ölnachfrage das Angebot im nächsten Jahr um bescheidenere 200.000 Barrel pro Tag übersteigt, verglichen mit einem Defizit von 700.000 Barrel pro Tag im aktuellen Jahr. Die größten OPEC+-Mitglieder und dominanten Entscheidungsträger, Saudi-Arabien und Russland, haben in den letzten Monaten ihre Produktion drastisch gekürzt, um die Ölpreise anzukurbeln. Diese Kürzungen wurden regelmäßig ausgeweitet.

Dramatische Veränderungen bei der Ölförderung
Nach Einschätzung der Experten werden Ölproduzenten, die nicht Teil der OPEC+ sind, voraussichtlich den Anstieg der Ölproduktion dominieren und damit die Kontrolle des Kartells über den Ölmarkt in Frage stellen. „Das Ölangebot außerhalb der OPEC+, das jetzt den höchsten Stand aller Zeiten erreicht hat, entspricht fast Barrel für Barrel dem der OPEC+-Allianz und dürfte dies auch im nächsten Jahr tun“, sagte die IEA. „Das ist eine dramatische Veränderung gegenüber 2017, als die OPEC+ erstmals gegründet wurde.“ Die IEA geht davon aus, dass Nicht-OPEC+-Ölproduzenten nächstes Jahr knapp die Hälfte allen Öls fördern werden. Im Jahr 2017 machten sie lediglich 43 Prozent des gesamten geförderten Öls aus.

OPEC+: Das „Teamwork“ könnte jederzeit enden
Die IEA betont in ihrer Analyse, dass sich Sowohl Saudi-Arabien als auch Russland jederzeit dafür entscheiden könnten, die Kürzungen rückgängig zu machen. Und dies, obwohl es die Ölpreise und damit deren Öleinnahmen belasten würde. Ein Ölpreiskrieg zwischen Moskau und Riad im Jahr 2020 drohte das Ende der OPEC+-Allianz und ließ die Ölpreise kurzzeitig kräftig absacken, als die beiden Länder ihre Produktionsmengen steigerten um einen größeren Marktanteil zu erobern.

Auch ohne die aktuelle Wiederholung dieses Szenarios sind fallende Ölpreise durchaus möglich. Das zeigen heute die weicheren Preisindikationen an den Ölmärkten am frühen Morgen. Bei den zuletzt stark gestiegenen Gasölpreisen dominieren zum Wochenauftakt Verkaufsimpulse das Geschehen. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen deshalb heute im Schnitt etwa -1,00 bis -1,70 Euro pro 100 Liter weniger bezahlen als am Freitagvormittag.